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AutorenbildPfarrei St. Marien

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Egal wo: Als kleiner Junge wollte ich immer durchs Fernglas gucken. Durch eins von diesen feststehenden Dingern, die wie eine Einladung zu einer besseren Sicht an spannenden Plätzen warten und die den Blick doch erst freigeben, wenn man eine Münze in den silbernen Schlitz steckt.


Da kleine Jungs aber selten über einen Vorrat an Münzen verfügen und Eltern nicht in jeden beliebigen Schlitz, der sich ihnen bietet, Geld werfen wollen, musste ich mich mit einem sehr einseitigen Ausblick begnügen. Ich sah Schwarz.


Und doch: meine Neugier blieb ungetrübt. Wo immer mir solche Ferngläser begegneten, stieg ich auf die kleine Plattform darunter, legte die Hände rechts und links an die Haltegriffe, schob mein Gesicht dicht an das Glas und guckte. Und guckte. Und guckte. So lange, bis mich jemand zum Weitergehen überredete.


Heute mache ich das nicht mehr. Vielleicht weil ich glaube, genau zu wissen, was ich da sehe: Schwarz.

Doch immer wieder entdecke ich Kinder, die genau wie ich damals ganz neugierig zum dem Fernglas emporklettern und hindurchschauen.


Die von rechts nach links schwenken, ganz ohne eine Münze hineinzuwerfen, und deren genervte Eltern abwartend daneben stehen. Manchmal minutenlang.


Und ich frage mich: Was sehen diese Kinder? Was habe ich als Kind mehr gesehen als heute?




Text: Hanna Buiting aus: Wandeln, Mein Fastenwegweiser 2018, Andere Zeiten e.V.

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