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DENKANSTOß - Weißer Sonntag

Aktualisiert: 4. Sept. 2023

Denkanstoß vom 14. April 2023


Am kommenden Sonntag wird man sie wieder sehen, vielleicht nicht so zahlreich wie in früheren Jahren, aber sicherlich doch genug, um wahrgenommen zu werden: die Kommunionkinder in ihrer festlichen Kleidung. Es ist für mich ein schönes Bild, weckt es doch herrliche Erinnerungen, sowohl an die eigene Kindheit, als auch an viele Kommunionfeiern in unserer Gemeinde. Und wann immer ich Kommunionkinder sehe, spüre ich wieder diese seltsame Melange aus tiefer Ernsthaftigkeit und freudiger Aufgeregtheit; denn es ist wirklich ein wichtiger Schritt, der mit diesem Fest vollzogen wird.


Waren die Kinder bis dahin vor allem in ihren Familien zu Hause, so werden sie nun in die große Pfarrfamilie aufgenommen; finden sie ihren Platz am Tisch des Herrn. Es ist sicherlich nur ein Aspekt, doch scheint er mir oft unzulässiger Weise vernachlässigt zu werden. Mit der ersten Kommunion erfahren die Kinder sowohl eine Ich-Stärkung, als auch eine neue Beziehung zur Gemeinschaft; Ich und Wir wird neu ausbalanciert. Damit wird ein Neuanfang gesetzt, denn es ist ein weiterer Reifungsschritt in das eigene Leben hinein. Zu meiner Kindheit wurde dieser Sachverhalt buchstäblich augenfällig, besuchte man die Gottesdienste immer an der Hand der Eltern, so wechselte man mit der Erstkommunion in die Kinderbänke, um eigenständig unter sich und für sich an der Feier teilzuhaben. Die Kinderbänke sind in unseren Kirchen weitestgehend abgeschafft worden, aber ich hoffe, dass das Reifen in Behutsamkeit und Besonnenheit geblieben ist. Denn der Weg in ein selbstbestimmtes Leben ist weit, das Zusammenspiel von Individuum und Gemeinschaft komplex, daher dürfen und sollten wir dankbar die bewährten Spuren nutzen. Welche sonst könnten wir dafür eintauschen?


Schon der Name „Weißer Sonntag“ verrät den Beginn eines neuen Lebensabschnittes; weiß ist das Taufkleid, das Brautkleid, das Totenlinnen. Wo uns dies bewusst ist, da kann die Festkleidung der Kommunionkinder uns eine weitere Botschaft signalisieren: Mit jedem Osterfest ist die Möglichkeit eines Neuanfangs verbunden! Das ist doch die eigentliche Osterfreude, dass wir neue Orientierung finden können, dass wir aus unseren Irrungen und Verwirrungen befreit werden, dass der Auferstandene uns erlöst in ein anderes, neues Leben hinein. Mir scheint, diesen Neubeginn braucht unsere Welt dringender denn je. Gottlob dauert die Osterzeit bis Pfingsten; ergreifen wir die Chance, die vor uns liegt. Goethe hat nun einmal recht, wenn er uns zuruft: „Willst du immer weiter schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah.“


Klaus Hurtz, Pfarrer in St- Marien und im Trostraum St. Josef, Grabeskirche




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