Denkanstoß | Doppeltes Vertrauen
- Pfarrei St. Marien
- 15. Okt. 2021
- 2 Min. Lesezeit
vom 15.10.2022
Es ruckelt in unserem Land. In sehr vielen Lebensbereichen haben die Herausforderungen eine Größenordnung erreicht, dass jeder spürt, dass Umbrüche anstehen, sollen Einbrüche verhindert werden. Alte Gleise müssen verlassen, die Weichen neu gestellt werden. Zwar weiß niemand so recht, wohin diese führen, doch jeder bemerkt, bei der Fahrt über Weichen ruckelt es.
Aber auch solche Erlebnisse geschehen. Per Mail erhielt ich vergangene Woche von einem Brautpaar die Bitte nach einem Termin. Man sei erst vor kurzem in die Gemeinde gezogen und wolle sich gerne einmal dem Pfarrer vorstellen. Die Kalenderlage war günstig, unkompliziert konnte ein Abend gefunden werden, und das spannende, intensive Gespräch geriet länger als gedacht.
Nach dieser Begegnung kam mir ein Wort von Marie von Ebner-Eschenbach in den Sinn: „Die Gelassenheit ist eine anmutige Form des Selbstbewusstseins.“ Denn ruhig und mit Selbstvertrauen berichteten die jungen Menschen von ihren Plänen und Zielen, gelassen und mit Gottvertrauen erzählten sie von ihren Hoffnungen und Wünschen. Das scheint mir das einzige Gespann zu sein, das uns sicher in die Zukunft bringt: Gott- und Selbstvertrauen! Denn es ist an uns, mit Vernunft und Fantasie für die großen und kleinen Baustellen in der Welt und in unserem Leben Lösungen zu finden; denn es liegt in Gottes Hand, seinen Segen dazu zu geben.
Doch wie kann dieses doppelte Vertrauen in uns stark werden? Im kleinen Wort „an-mutig“ gibt uns die Dichterin einen Fingerzeig, und mir fiel zudem die Kanzel-Rede von Michael Hilgers in St. Marien ein. Er rief uns zu, dass den Mutigen die Welt gehört. In der Tat, Vertrauen kann man nicht kaufen, und es wächst auch nicht auf Bäumen. Man braucht Mut, um den Sprung ins Vertrauen zu wagen; denn gerade die fehlende Sicherheit ist sein Charakteristikum. Aber es ist kein Übermut, denn als Christen wissen wir, dass Gott für uns nicht nur das Gute will, sondern uns zutraut, das Gute bewerkstelligen zu können. Wo immer wir Gott enttäuschen, da Schaden wir uns; wo immer wir unsere Entscheidungen und Handlungen nach ihm ausrichten, da kann selbst Schweres und Schwerstes gemeistert werden.
Es ruckelt in unserem Land. Unsere Antwort darf nicht Selbstmitleid, Verzagtheit oder gar Angst sein, erst recht nicht Wut und Hass! Damit werden wir keine Zukunft gewinnen; Leben braucht immer Vertrauen – und zwar im Doppelpack!
Klaus Hurtz, Pfarrer von St. Marien und vom Trostraum St Josef, Grabeskirche
RP-Denkanstoß vom 15.10.2022

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